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Mainz 1200

Der Dom

Die Geschichte des Bassenheimer Reiters beginnt mit dem Mainzer Dom.

Um das Jahr 1200 soll ein Letner gebaut werden. Das Wort "Lettner" leitet sich vom lateinischen "lectorium" ab, was Lesepult bedeutet.

Die Lettner lösen die Chorschranken aus frühchristilicher Zeit ab und ersetzen diese durch halbhohe Wände zwischen Chor und Gemeinderaum. Vom Lettner aus wird die heilige Schrift verlesen und dem Volk gepredigt. Manchmal dient er als Sängertribüne. Mit der Zeit verziert man die Lettner immer reicher mit Figuren und erweitert sie zu einem wertvollen Bestandteil der Gotteshäuser.

Der Mainzer Dom bietet zu dieser Zeit einen trostlosen Anblick. Mehrere Brände um 1140 und 1170 richten verheerende Zerstörungen an. Ein Aufstand gegen den Erzbischof Arnold von Selenhofen führt zu einer Plünderung und weiteren schweren Schäden. Es wird beseitigt, was nicht mehr zu retten ist und es sind bauliche Veränderungen notwenig. Eine gute Gelegeheit, den Dom auf den neusten Stand zu bringen.

Ein Meister muss her!

Die Vorgabe ist klar: Das Werk soll den heiligen Martinus, den höchsten Schutzheiligen des frankischen Reiches, darstellen.

Man hat von einem einen Künstler gehört, dessen Ruf ihm durch großartige Kunstwerke in Lyon, Amiens, Reims und Metz weit voraus eilt. Der muss es sein! Es soll schließlich was ganz besonderes werden und mit weniger will man sich nicht zufrieden geben.

Heute wissen wir leider nicht viel über diese Person oder diesen Personenkreis. Es gibt weder Überlieferungen, noch Signaturen oder ähnliches in den Kunstwerken. Nur anhand des künstlerischen Stils kann man Gemeinsamkeiten an den Werken bestimmen, die der "Meister" zu der Zeit auf dem Weg von Lyon, über Mainz, Meissen und Naumburg geschaffen hat.

Der Meister

Woher der Name?

Die berühmten Stifterfiguren des Fürstenehepaars Eckehart und Uta, entstehen um 1250. Sie gelten als die großartigsten Figuren der Stauferzeit. Sie sind allen bis dahin geschaffenen Kunstwerken weit voraus. Nachdem sein Werk am Mainzer Dom beendet ist, wird bald darauf von Dietrich II von Naumburg abgeworben. Der Naumburger Dom, ist die letzte bekannte Wirkungsstätte. Sie führt schließlich zur Namensgebung "Naumburger Meister".

Mainz 4. Juli 1239

Einweihung!

Der Dom strahlt in neuem Glanz. Zahlreiche Gäste sind anwesend.

Das Werk ist vollendet. Aus den später gefundenen Protokollen des Domkapitels wissen wir, dass an diesem Tag die Weihe stattfand. Alle Erzbischöfe und Bischöfe des gesamten Reiches sind nach Mainz, dem größten Erzbistum des deutschen Reiches römischer Nation gekommen. Der König selbst, Konrad IV, ist einer der Gäste. Ein Großereignis, das seinesgleichen sucht.

Der Dom erstrahlt in nie dagewesenem Glanz und der Westlettner stellt mit der Martinus Darstellung das Herzstück über den Zugang zum Chorraum.

Kunsthistorische Bedeutung

Ein großer Meister war am Werk!

Das Relief gehört zu den schönsten erhaltenen Schöpfungen der Stauferzeit. Mit unnachahmlicher Gestaltungskraft und einmaliger Intensität hat er einem Stein Dynamik und fesselnde Dramatik eingehaucht.

Der Bettler greift nach dem Mantel und hebt sein Gesicht dem Martin entgegen, der dem frierenden Mann direkt in die Augen schaut. Ein spektakuläres Kunstwerk, im Übergang von der Romanik zur Gotik erschaffen, das auch heute von Liebhabern mittelalterlicher Kunst hoch verehrt wird. Der Mainzer Kunsthistoriker Prof. Dr. Fritz Arens zählt es aufgrund seines menschlichen Ausdrucks und ausgewogenen Komposition zu den besten Werken deutscher Kunst. Es gilt als die schönste, eindrucksvollste und wertvollste Martinus Darstellung des Abendlandes.

Mainz 1680 - 1683

Aus der Mode

Mit Beginn des Barock kommen die Lettner aus der Mode. Man empfindet sie als störend und ersetzt sie durch Chorgitter und Kommunionbänke

So "erwischt" es auch den Lettner in Mainz. Im Jahr 1683 wird er abgerissen. Die meisten Teile wurden als Füllmasse für die neuen Fundamente verwendet. Einige wenige wurden an andere Kirchen abgegeben. Und so wäre auch das Relief des Martinus auf dem Bauschutt gelandet, hätte nicht der Mainzer Domscholaster, Casimir Ferdinand Adolf Graf Walpod von Bassenheim, dessen Bedeutung erkannt und es gerettet. Er lässt es zum 250 m entfernten Rhein schaffen und auf ein Schiff verladen. Vermutlich über den Hafen von Urmitz gelangt das Kunstwerk schließlich nach Bassenheim in den Schlosspark. In Bassenheim schlummert die Reiterplastik für viele Jahre, vermutlich im Kelterhaus nahe der Burg

Bassenheim 1718

Auferstehung

Das Relief wird der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht

In den Jahren 1718 bis 1722 lässt Graf Kasimir eine neue Barockkirche bauen. Das Reiterbild findet seinen Platz in der Seitenwand des Chors. 1898 wird die Kirche wieder abgerissen und durch eine neue, größere Kirche im spät-romanischem Stil ersetzt. Der damalige Konservator der Rheinlande, Paul Clemen (1866-1947) verfügt, dass das mittelalterilche Relief an würdiger Stelle im Neubau wieder anzubringen sei. Dort beherrscht das Bildnis des Reiters mit dem hoheitsvollen Antlitz bis heute den linken Seitenaltar. Man nimmt zwar den Reiter auf dem die Ohren spitzenden kraftvollen Pferd, der seinen Mantel mit dem Bettler teilt, noch wahr, aber die Bedeutung ist bald vergessen.

Bassenheim 1935

Wiederentdeckung

Der Bassenheimer Reiter

Die große Stunde kommt im Jahr 1935, als der bekannte Kunstkistoriker Professor Hermann Schnitzler (1905-1973) das Bildnis entdeckt. Er vergleicht andere Werke, nimmt Gesteinsproben und stellt die Verbindung zum "Naumburger Meister" her. Seitdem ist das Kunstwerk unter der Bezeichnung "Bassenheimer Reiter in der Kunstgeschichte bekannt.

"Das wiederentdeckte Meisterwerk. Kostbarer Schatz in der Kirche von Bassenheim. Bassenheim besitzt in diesem heiligen Martin eines der edelsten Meisterwerke der Stauferzeit, das unsere Kenntnis deutscher und europäischer Kunst um ein Wesentliches erweitert" So und ähnlich jubelte damals die Presse.